> Beförderung, Gehalt oder Jobwechsel: Jeder von uns muss im Laufe seiner Karriere verhandeln. Einige Verhandlungen sind einfacher, andere schwieriger.

> Adrian Brandis ist ein echter Verhandlungsexperte: Seit mehr als 24 Jahren verhandelt er und berät Unternehmen, wenn sie mit ihren Verhandlungspartnern in eine Sackgasse laufen.

> Was ihr von ihm lernen könnt: Ihr solltet euch fragen, wie die Beziehung zum Verhandlungspartner nach den Gesprächen aussehen soll. Auch wichtig: Was sind die Motive des Gegenübers? Welchen Nutzen erhofft er oder sie sich? Und welchen Nutzen könnt ihr bieten?

 

Wer übernimmt das Projekt? Wie viel Gehalt wird gezahlt? Bekomme ich die Beförderung? Im Berufsleben muss jeder mal die ein oder andere Verhandlung führen. Manche Besprechungen sind vielleicht klein und nicht ganz so wichtig (zum Beispiel das Motto der nächsten Firmenfeier), andere aber entscheiden womöglich über den Lauf eurer Karriere (zum Beispiel ein Einstellungsgespräch oder die Verhandlung um eine Beförderung).

Doch was sollte man tun, wenn die Verhandlung in einer Sackgasse zu enden droht? Keiner der Verhandlungspartner ist bereit, einen weiteren Schritt zu gehen – Verhandlungen gescheitert? Nicht unbedingt, sagt Adrian Brandis. Der Unternehmer begann seine Karriere als Projektmanager in einer mittelständischen Baugesellschaft. Für diverse Großprojekte musste er damals schon hier viele schwierige und richtungsweisende Verhandlungen mit Behörden und Big-Playern führen. Er absolvierte eine Ausbildung zum Lean-Manager bei der Porsche Consulting Group und arbeitete unter anderem als Projektmanager und später als strategisch Verantwortlicher für H&M. Hier trainierte er interne und externe Führungskräfte und führte eigenständig viele schwierige oder festgefahrene Verhandlungen für den Konzern zu außergerichtlichen Lösungen.

Mit mehr als 24 Jahren Verhandlungserfahrung hilft Brandis mittlerweile Unternehmen mit seinem Trainings- und Beratungsunternehmen „Brandis Negotiations“ aus festgefahrene Situationen, meistens als sogenannter Ghost Negotiator. Das bedeutet: Er hilft seinen Klienten, eine Strategie zu erarbeiten und diese erfolgreich und konsequent umzusetzen, sitzt dabei allerdings nicht selbst am Verhandlungstisch. Zu den Unternehmen, mit denen er zusammenarbeitet, gehören unter anderen Fluglinien, Pharmakonzerne, Chemiekonzerne, Reiseplattformen und Baukonzerne.

Im Interview mit Business Insider hat Brandis erzählt, welche Fragen er seinen Klienten stellt, wenn er sie bei schwierigen Verhandlungen berät – und welche fünf Tipps ihr beachten solltet, bevor ihr in eure nächste Verhandlung geht.

 

Adrian Brandis, Verhandlungsexperte und Ghostnegotiator

© Bild: Adrian Brandis

 

Diese Fragen solltet ihr euch vor eurer nächsten Verhandlung stellen

„Wenn ein Unternehmen zu uns kommt, um eine Verhandlungsstrategie zu erarbeiten, starten wir erst einmal eine Analyse – indem wir 86 Fragen stellen“, erzählt Brandis. Ein Aspekt sei dabei zum Beispiel: Wie soll die Beziehung am Ende der Verhandlung aussehen? Muss man sich danach noch in die Augen sehen können oder ist es egal, wenn man verbrannte Erde hinterlässt?

„Viele Menschen schauen bei einer Verhandlung nur auf die Gegensätze: Mein Gegenüber will etwas anderes als ich, zum Beispiel wenn es um Geld geht. Doch es ist im ersten Schritt wichtig, sich auf das gemeinsame Fundament zu besinnen“, erklärt Brandis. Wichtige Fragen seien auch die nach dem Motiv: Welchen Nutzen erhofft sich der Verhandlungspartner? Was erhoffe ich mir? Was kann ich bieten? Und welche Hindernisse muss man gemeinsam überwinden?

Nachdem die Fragen geklärt sind, wird eine Strategie für die Verhandlung erarbeitet. „Verhandeln bedeutet immer geben und nehmen“, sagt Brandis. In festgefahrenen Situationen sei aber keiner der Verhandlungspartner mehr bereit, mehr zu geben. „Ihr solltet euch überlegen: Welche Dinge kann ich erfüllen, ohne dass es mich viel kostet?“ Die Kosten können sich zwar auf Geld, aber auch auf Zeit, Verantwortung und Aufgaben beziehen. Wenn ihr beispielsweise mehr Geld verhandeln wollt, solltet ihr überlegen: Kann ich eine bestimmte Aufgabe übernehmen, wodurch ich meinem Arbeitgeber sehr helfen würde?

Hier sind fünf Tipps, die laut Brandis bei einer Verhandlung, beispielsweise um eine Beförderung oder Gehaltserhöhung, besonders wichtig sind:

Verhandelt zuerst mich euch selbst

Bevor ihr überhaupt ein Gespräch vereinbart, solltet ihr euch selbst einige Fragen stellen: Soll ich die Verhandlung starten oder nicht? Warum? Was passiert, wenn ich (nicht) verhandle? „Ihr dürft keine Angst vor einem möglichen Konflikt haben.“ Daher sei es wichtig, sich bewusst zu machen, welche Konsequenzen eine Verhandlung haben könnte – und auch, was passiert, wenn ihr nicht verhandelt. Eine „Ich kann es ja mal probieren“-Einstellung sei nicht förderlich. Ihr solltet euch eurer Sache sicher sein.

Den richtigen Zeitpunkt wählen

Nach eurer „inneren Verhandlung“, wie Brandis sie nennt, ist es nun wichtig, einen guten Termin zu finden, um in die Verhandlung einzusteigen. Ein Jahresgespräch sei ein guter Zeitpunkt, meint der Berater. Noch besser aber: „Eine besondere Leistung ist immer eine gute Ausgangslage. Habt ihr beispielsweise gerade vollen Einsatz gezeigt und so ein wichtiges Projekt abgeschlossen, ist das ein sehr guter Anknüpfungspunkt für eine Verhandlung.“

Gute Vorbereitung ist für Verhandlungen essenziell

Als Nächstes gilt es, sich ausreichend vorzubereiten. „Eine konkrete Zielsetzung ist wichtig: Wo will ich hin? Was will ich erreichen? Die meisten scheitern schon daran, gute und konkrete Ziele zu formulieren“, sagt Brandis. Gedanken wie „Ich würde ja schon gerne vielleicht 200 Euro mehr verdienen, 400 Euro wären schon ziemlich cool“ seien eher ein Wunsch als eine Zieldefinition.

Besser wäre laut Brandis: „Ich möchte 500 Euro mehr Gehalt und würde mich bis maximal 350 Euro herunterhandeln lassen.“ Dann wiederum solltet ihr euch überlegen, was passiert, wenn ihr die 350 Euro nicht bekommt – wäre die Konsequenz ein Jobwechsel?

Am besten überlegt ihr euch auch andere Forderungen, die ihr einbringen könnt, wenn eure Führungskraft nicht auf euch eingeht. Wenn ihr bei dem Gehalt festsetzt, könntet ihr jetzt einen anderen Weg einschlagen, zum Beispiel: „Ich merke, wir kommen bei dem Gehalt leider nicht weiter, aber wenn wir gerade schon zusammensitzen, könnte ich doch vielleicht noch zwei Dinge vortragen, die für mich auch interessant wären. Könnten Sie sich vorstellen, eine Weiterbildung oder einen Sprachkurs über die Firma laufen zu lassen? Welche Bedingungen müssen erfüllt sein für einen Dienstwagen? Oder gibt es die Möglichkeit, dass ich in Zukunft mehr Verantwortung übernehmen kann – wie könnte das aussehen?“

Laut Brandis solltet ihr euch sechs bis acht alternative Forderungen vorbereiten, die ihr eurem Verhandlungspartner vorlegen könnt. „Euer Chef ist in diesem Moment dann in der Defensive und muss erst einmal verarbeiten, bewerten und überlegen, welche Auswirkungen und welchen Nutzen eure Forderung hat.“ Für euch bedeute das aber, dass ihr in einer besseren Verhandlungsposition seid – da ihr zeigt, dass ihr flexibel seid und die Verhandlung voranbringen wollt.

„Euer Verhandlungspartner kann nun entweder auf eine eurer Forderungen eingehen, ein Gegenangebot machen – oder vielleicht ist ihm die Verhandlung so unbequem, dass er euch schließlich doch die 350 Euro Gehaltserhöhung anbietet.“

Selbstbewusst auftreten

Eine Verhandlung sei immer auch ein Konflikt. Dessen solltet ihr euch bewusst sein, sagt Brandis. „Ihr sollt nicht arrogant auftreten, solltet euch aber selbstbewusst geben. Habt keine Angst, etwas zu fordern, das ihr verdient.“ Natürlich sei auch immer ein gewisses Fingerspitzengefühl gefragt. „Geht konstruktiv, wertschätzend, höflich und professionell in das Gespräch.“

Dazu gehört laut Brandis auch, keine übereilten Entscheidungen zu treffen. „In stressigen Situationen neigen wir zu Emotionen und möglicherweise zu frühen Reaktionen.“ So wollt ihr euch vielleicht frühzeitig auf etwas festlegen, nur um einer unangenehmen Situation zu entkommen. In diesem Fall ist es immer möglich, zu sagen, dass ihr noch einmal über das Angebot nachdenken wollt, bevor ihr mit der Verhandlung fortfahrt.

Betont, den Nutzen für euren Verhandlungspartner

„Euer Chef fragt sich ganz banal: Was habe ich denn davon, wenn meine Angestellten mehr Geld bekommen?“, sagt Brandis. Das heißt, ihr solltet euch genau überlegen, welchen Nutzen eure Führungskraft, euer Unternehmen durch euch hat. So könnt ihr zum Beispiel einerseits aufzählen, welche erfolgreichen Projekte ihr schon abgeschlossen habt – aber vor allem, welchen klaren Nutzen ihr in der Zukunft bringt.

Letztendlich solltet ihr euch immer auf das Geben und Nehmen zurückbesinnen. Und: „Ein Konflikt ist nicht immer schlecht. Es ist die Chance, Dinge für die Zukunft wirklich besser zu machen, Vereinbarungen zu erzielen, die in Zukunft tragfähig sind und eine Verbesserung für alle Beteiligten zu schaffen.“